Forschungen zu Führungsschichten in der Frühen Neuzeit und deren sozialer Mobilität


In den 1960er Jahren wurden in Deutschland zahlreiche regionale Forschungen über die Entwicklung der neuzeitlichen Führungsschichten durchgeführt. Dabei stand die Frage im Vordergrund, in welchem Maße es unterprivilegierten Schichten möglich war, soziale Schranke zu überwinden. Insbesondere stellte sich die Frage, wie der sich herausbildende frühmoderne Staat den Aufstiegswillen bürgerlicher Kreise für seine Zwecke, also zur Sozialdisziplinierung seiner "Untertanen" zu funktionalisieren wusste. Die Rolle der bürgerlichen Beamten als "Kommissare" ist für die Auseinandersetzung mit dem ständischen Adel in der Zeit des Absolutismus von besonderem Interesse.
Untersuchungen im Bergischen Land zeigten 1975-1985, dass Bürgerliche bereits in der Mitte des 16. Jhds. die Grenze zum Adel nicht mehr durch den Kriegsdienst bei gleichzeitiger Steuerbefreiung ihres Grundbesitzes überwinden konnten. Spätestens seit 1600 führte nur ein Fürstendienst, i. d. Regel als Beamte, zu einem langsamen Aufstieg, der nach mehreren Generationen in der Nobilitierung enden konnte. Eine juristische Ausbildung war zwar grundsätzlich erforderlich, im Verlaufe des 17. Jhds. nicht aber mehr eine Promotion zum Dr. jur. utr., die vor 1600 noch als adelsgleich angesehen wurde. Eine Verlagerung der Residenz und die damit verbundene Auflösung des Hofstaates führten zu einer Stagnation der sozialen Mobilität.



Johannes Kunisch, Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln, gehörte in den 1970er und 80er Jahren zu den Historikern, die im Rahmen der "Büdinger Vorträge" auf die besondere Bedeutung der bürgerlichen Beamten bei der Entstehung des frühmodernen Staates hinwiesen.